Auf ein Erklingen mit Ihrer
Stimme
Nachdem die Ausstellung „art to believe“ mit der Installation „Verschollene Stimmen“ in der Kirche St. Magni zu Ende gegangen ist, kam die Idee seitens der St. Magni-Kirche durch Herrn Böger auf, ob diese Installation in einer etwas abgewandelten Form möglich wäre.
Nach einem weiteren Treffen und einem sehr konstruktiven und – wie ich meine – alle bereichernden Gespräch stand einer abgewandelten Installation nichts mehr im Weg, die im September 2022 dann erstellt wurde.
Für diesen außerordentlich reichen Austausch danke ich neben Herrn Pfarrer Böger auch dem Kirchenvorstand der St. Magni-Kirche.
Das war und ist eine hoffnungsvolle Kooperation, in der Kunst und Gesellschaft sich inhaltlich auseinandersetzen und so neue (Denk-) Räume eröffnen.
Dass solch eine Begegnung überhaupt stattfinden konnte, war auch das Verdienst von Julia Taut (hier in einem Interview, das ihre Vision sehr gut verdeutlicht) vom BBK Braunschweig, die diese anspruchsvolle Ausstellung „arttobelieve“ überhaupt erst möglich machte durch die Konzeption, die Organisation, die Umsetzung und die unaufgeregte, sachliche, wertschätzende Begleitung in höchster Professionalität. Danke auch an dieser Stelle!
Verschollene Stimmen – Auf ein Wort Ihrer Stimme, Installationsansicht Detail (Foto: Copyright J.Georg Brandt)
Verschollene Stimmen | Auf ein Erklingen mit Ihrer Stimme | Kontext
Der „Rufer“ auf St. Magni von Bodo Kampmann bleibt stimmlos, zwei Glocken – die Schosselglocke, Gussjahr 1630, 58 kg, Ton fis′′ sowie die Schandelglocke, Gussjahr 1445, 23 kg, Ton fis′′ – sind nicht mehr zu hören.
Verstummen ist der Ansatz der Arbeit und das Wiedererklingen der Umgebung, die zu oft unhörbar und unbewusst vorhanden ist.
Ähnlich geht es dem Klima, vielen leidenden Menschen in der Welt – auch derjenigen in der nächsten Umwelt: Unhörbar, unsichtbar macht es sich doch bemerkbar, wenn hingeschaut wird – und die eigene Stimme dazu beiträgt.
Verschollene Stimmen | Auf ein Erklingen mit Ihrer Stimme | „Instrument“
Neben der Hochzeitstür der St. Magni Kirche, unweit des Taufbeckens, ist ein Mikrofon auf dem aus den Trümmern der Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg geretteten Tisch installiert, in das die Besucher:innen leise, wie ein Gebet, ein ihnen wichtiges Wort sprechen können – auch eines aus der ausliegenden historischen Bibel. Dabei wird ein Impuls an eine Mechanik gesendet, die die in unmittelbarer Nähe befindliche Schandelglocke anschlägt.
Intimes gesprochenes Wort – Wortgebet – lässt die Stimme der Glocke erklingen. Worte erzeugen eine Realität.
Es sind dies nicht „Stimmen“ des Zufalls – oder anders ausgedrückt und interpretiert: Stimmen der Unverfügbarkeit, wie in der ursprünglichen Installation, sondern bewusste, entschiedene „Wortmeldungen“, die die Glocke ertönen lassen und Wirksamkeit demonstrieren.
Nicht nur die Unverfügbarkeit nach Hartmut Rosa (Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung, 2016) sowie im Sinne der Actor- Network-Theory von Bruno Latour (Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, 2010) ist gekoppelt auch an Dinge, die eine Auswirkung auf gesellschaftliche Zusammenhalte haben. Sondern auch die bewusste Handlung des leise ins Mikrofon gesprochenen Wortes eigener Wahl.
Verschollene Stimmen wie die des Rufers oder die der stummen Glocken zum bewussten Gehört-werden, ist Ansinnen der Installation.